Irish Folk Festival

Nach einem Jahr Verschnaufpause ist das Irish Folkfestival wieder auf Tour. Das Motto ‚Rainbow Expedition‘ verspricht eine farbenprächtige und abwechslungsreiche Bühnenshow mit hochkarätigen Musikern und Ensembles. Ein Besuch in der ausverkauften Stadthalle in Eschborn am 19.10.2008

Der Eröffnungsakt, der schottische Singer und Songwriter Griogair, hat es naturgemäß immer etwas schwer, folgen nach ihm nur noch Topakts. Doch wie es in der Tradition der Liedermacher üblich ist, werden die Stücke mit witzigen oder ernsten Anekdoten angekündigt. Die Aufforderung, den Refrain eines Stückes mitzusingen, wird ob des starken schottischen Dialekts mit einem Lachen beantwortet. Virtuose Ausbrüche, wie noch später am Abend zu hören, dürfen wir bei einem gefühlvollen Interpreten schottisch-irischer Lieder nicht erwarten. Dezentes Chordstrumming im Open Tuning dient den Songs und ihren Geschichten. Was hier zählt, ist die Stimme und die Stimmung, die der hierzulande noch recht unbekannte Künstler zu Gehör bringt. Bei einem Lied, das von Krieg und Vertreibung erzählt, kann man die berühmte Stecknadel fallen hören. Gänsehaut.

Ebenfalls im Open Tuning begleitet der begnadete Gitarrist Alan Colfer die in Kerry geborene Niamh Ní Charra. Sein Spiel ist wesentlich rhythmischer und differenzierter bezüglich der akkordischen Umkehrungen, die er gekonnt unter das Melodiespiel seiner Duopartnerin setzt. Mit der Concertina und an der Geige zeigt Charra die gesamte Bandbreite möglicher Spieltechniken. Typische Triller und Rolls werden so gekonnt und leichtfüßig vorgetragen, dass es einem die Sprache verschlägt. Hier werden Polkas und Jigs nicht einfach nur gespielt, sie werden scheinbar aufs Neue erlebt und neu interpretiert. Durch die langjährige Spielerfahrung können sich beide blind aufeinander verlassen und überzeugen mit rasanten Läufen und tollen Wendungen.

Líadan ist eine reine Frauenband, die als dritter Akt die Bühne betritt. Ein Raunen geht durch das Publikum, als die sechs jungen Damen ihr erstes Stück spielen. Wunderschön ausgefeilte Arrangements mit keltischer Harfe, Geige, Flöte und Akkordeon tragen den mehrstimmigen Gesang. Wie ein Schwarm stolzer Eltern oder Großeltern lauscht man den netten Ansagen der sechs hübschen Ladies und staunt über die ungeheure Dynamik und Spielfreude, mit der sie ihre Lieder vortragen. Die Gruppe Beoga ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Als Irish Folk Wizards feiern sie Erfolge. Es bedarf eben genau solch junger wilder Musiker, die völlig ungeniert aus anderen musikalischen Bereichen Anleihen nehmen und diese mit irish basierter Folkmusik mischen. Auffallend sind hier die für irische Musik recht untypischen tiefen Frequenzen, welche das Keyboard erzeugt. Kernige und rockige Bluesphrasen schleichen sich immer wieder von unten in den Klang der beiden absolut synchron spielenden Akkordeons. Mit irrsinnigem Spielwitz, perfekt getimten Phrasierungen und Pausen, die eine Spannung erzeugen, dass man kaum auf den Stühlen sitzen bleiben mag, beweist die Band, wozu man in der Lage ist, wenn man verschiedenes musikalisches Vokabular neu mischt. Das Bodhransolo klingt wie Irish Folk auf Ecstasy. Diese Gruppe muss man einfach gesehen haben, will man verstehen, wohin es diese neue wilde Generation an Folkmusikern treibt.

Zu guter Letzt kommen alle Musiker noch einmal auf die Bühne und zeigen, dass man auch in der großen Gruppe harmoniert. Der Mann am Misch- und Lichtpult ist wahrscheinlich der einzige im Saal, der noch auf einem Stuhl sitzt. Mit standing Ovations werden die Musiker verabschiedet. Ein gelungener Abend, der wieder einmal viel zu schnell zu Ende gegangen ist. Genauso wenig wie nur eine Farbe des Regenbogens die schönste ist, sondern nur der ganze Regenbogen, so haben alle Bands und Interpreten zu einem gelungenen Irish Folkfestival beigetragen. Musik und Entertainment waren wie immer auf höchstem Niveau. Ein Besuch beim IFF ist jedes Mal ein spannendes Erlebnis, zeigt es doch das immer wieder nachwachsende Potential junger Musiker, die sich ihrer eigenen Tradition bewusst sind, aber keine Scheu haben über den musikalischen Tellerrand zu blicken. Am Ende des Regenbogens ist bekanntlich ein Topf mit Gold versteckt. Das glückliche Publikum in Eschborn kann das nur bestätigen.

AKUSTIK GITARRE 1/09