Keltische Harfe

Die Vorlage zu den irischen Euro-Münzen lieferte die berühmte Brian Boru´s Harp aus dem 14. Jh., ausgestellt im Trinity College, Dublin. Nach aufwendiger Restaurierung und Neubesaitung wird ihr Klang als hell, silbrig und sehr freundlich beschrieben. Die Entwicklung dieses Instrumentes begann allerdings vor langer Zeit im Zweistromland.

Die älteste jemals gefundene Harfe stammt aus dem Jahr 8000 v.Chr und wurde im heutigen Iran gefunden. Nach Irland, so wird vermutet, kam die Harfe etwa vor 2000 Jahren, auch wenn die frühesten steinernen Bildnisse erst im Mittelalter auftauchen. In der ‚Topographia Hibernica‘, dem im Jahr 1187 veröffentlichten Reisebericht des normannischen Chronisten Giraldus Cambrensis, wird die außerordentliche Fingerfertigkeit irischer Harfenisten erwähnt. Doch war es mitnichten ein weit verbreitetes Folkloreinstrument. Gespielt wurde sie ausschließlich am Hofe der damals verstreuten Kelten-Clans. Aufgabe der Harfenspieler war es vor allem, die Geschichte eines Clans und die Taten ihres Häuptlings in heldenhafte Lobgesänge zu verwandeln und so zu memorieren. Ihre Dichtkunst und die tiefe Musikalität begründete ihren legendären Ruf als Barden mit übermenschlichen Fähigkeiten. Sie konnten die Zukunft vorraussehen und kannten sich mit Heilkräutern und den Sternen aus. Die Figur des Druiden, des Barden und Orakels verschmolz zu einer mystischen Einheit. In den irischen Märchen tauchen Harfenspieler stets als Mittler zwischen den Welten auf, welche mit ihrer Musik Menschen in einen zauberhaften Schlaf versetzen und sogar Tote wieder erwecken konnten.
Das Keltische an der Harfe ist eigentlich nur der kulturelle Nährboden, auf dem die Tradition des Harfenspiels besonders gut gedeihen konnte. Die Clanstruktur mit einem zentralen Oberhaupt, die paterlineare Erbfolge, die rein mündliche Wiedergabe von Geschichten und Melodien und die hohe Achtung der Spiritualität begünstigten die Position eines geschulten Barden, dessen salbungsvollen Rezitationen allein schon für Respekt sorgten. Traditionell wurden die alten irischen Harfen aus einem Stück Weidenholz geschnitzt. Mit ihren tiefhängenden Ästen, die den Boden berühren oder gar ins Wasser eines Sees reichen, hatte die Weide seit je her eine Verbindung zur Anderswelt mit ihren Feen und Gnomen. Berichte, wonach eine Harfe aus den Brustknochen einer verstorbenen Schönheit gefertigt wurde, bespannt mit deren goldenem Haar, weisen in den Bereich der Märchen und der Mythen (Beispielsong: Cruel Sister).
Irlands berühmtester Harfenspieler Turlough O´Carolan berichtete kurz vor seinem Tod, dass er auf seinen Wanderungen nächtens immer die Musik der Feen gehört habe. Stets habe er versucht, deren Klänge und Melodien nachzuspielen.
Traditionell besitzt die keltische Harfe 32 diatonisch gestimmte Saiten, die wahlweise in G-Dur oder in C-Dur erklingen. Mitte des 17. Jh. tauchten die ersten sogenannten Neo-Irish-Harps auf, die mit Darmsaiten bespannt eine Neuorientierung der irischen Musik andeuten. Der weiche Klang der Darm- bzw. heutigen Nylonsaiten passt sich wesentlich unproblematischer an den Klang anderer Instrumente an und ermöglicht ein harmonischeres Zusammenspiel. Das schottische Harfenduo Sileas verwendet beide Harfen, Nylon und Stahl und verwebt überzeugend die unterschiedlichen Klänge zu einem homogenen Ganzen. Der Vortrag der alten irischen Harfenspieler war immer solistisch. Das Dehnen und Strecken gewisser Verse zur Steigerung der Dramatik eines Lobgesanges standen im Widerspruch zur starren Metrik eines Tanzes. Mit dem Verbot der Bardenschulen durch Oliver Cromwell (1599-1658) und dem Niedergang der irischen Aristokratie war der Untergang der einst höfischen Kultur besiegelt. Nur zwölf Jahre nach dem Tode Cromwells wurde ein junger Mann geboren, der als letzter große Harfenspieler in die Geschichtsbücher eingehen sollte: T.O´Carolan. Wohl spürte man den Wandel der Zeit, konnte ihn aber nicht mehr aufhalten. Der engagierte Liedersammler Edward Bunting organisierte 1792 mit den letzten noch lebenden Harfenspielern das berühmte Belfast Harpfestival, um deren Spiel- und Wissensstand zu dokumentieren.
Es bildeten sich zwei Lager. Die Traditionalisten spielten mit kultivierten Fingernägeln, ähnlich der klassischen Gitarristen, die anderen bevorzugten die blanke Fingerkuppe. Auf eine gemeinsame Linie des Fortführens der Tradition einigte man sich nicht. Zu individuell, zu eigensinnig waren ihre Interpreten.
Heute hat die Harfe wieder einen festen Platz, auch wenn es nicht mehr um die Heldentaten lokaler Größen geht. Wunderbar passt ihr Klang in heutige Weltmusikproduktionen, transportiert der Klang der Harfe doch nichts mehr und nichts weniger als eine uralte Sehnsucht, einen alten Zauber, dem sich niemand entziehen kann.

Akustik Gitarre 6/08